VOM KLANG DER WORTE ZUM SCHWEIGEN DES SEINS

„Inmitten der geglaubten Positionierung werden wir klar – und gerade darin nicht verstanden.“ (Lukas Gisler) 

Wir leben in einer Zeit, in der das Sichtbare mehr zählt als das Wahre. Bedeutung wird an Reichweite gemessen, Tiefe an Aufmerksamkeit, und die leisen Zwischentöne gehen im Rauschen der ständigen Kommunikation verloren. Was früher Begegnung war, wird heute oft zur Präsentation – eine Bühne, auf der wir uns selbst inszenieren, um dazuzugehören, verstanden zu werden, sichtbar zu bleiben.

Doch irgendwo zwischen den Filtern, den Meinungen und der ständigen Selbstbeobachtung verblasst der Kontakt zu dem, was uns wirklich bewegt.  Wir reden, posten, reagieren – und hören einander kaum noch. Das Rauschen ersetzt das Zuhören, die Reaktion das Verstehen. Worte, längst nicht mehr Ausdruck, sondern Abwehr geworden. In dieser Überfülle an Sprache wächst die Sehnsucht nach Stille, nach einem Raum, in dem wir wieder spüren, was wir jenseits der Rollen und Zuschreibungen sind.

Bewusstsein beginnt dort, wo Worte ihre Selbstverständlichkeit verlieren, wo wir innehalten und merken, dass Klarheit kein lautes Verstehen ist, sondern ein stilles Sehen – ein inneres Aufwachen, das sich oft unbequem anfühlt, weil es keine Zustimmung sucht.

Der folgende Text ist ein Nachspüren dieses Moments. Er spricht von der Bewegung zwischen Außen und Innen, von der Sehnsucht nach Echtheit inmitten des Lärms und von der paradoxen Freiheit, die entsteht, wenn wir uns nicht mehr über das Erklärte, sondern über das Erlebte definieren.

Zwischen Sichtbarkeit und Sein

Wir leben in einer Welt,
die Sichtbarkeit mit Wert verwechselt.
Was glänzt, gilt als wahr,
was still bleibt, verschwindet.

Anerkennung wird zum Maß,
an dem wir uns messen,
und Erwartungen –
unsere und die der anderen –
werden zu unsichtbaren Wegen,
auf denen wir vorsichtig treten,
damit nichts von uns herausfällt
aus dem Bild, das man erwartet.

Doch leise,
unter all dem Spiegeln,
beginnt etwas zu flüstern:
Je ehrlicher du dich siehst,
desto weniger wirst du gesehen.

Klarheit –
sie führt nicht ins Licht der Menge,
sondern in den Schatten des Eigenen.
Sie zeigt dich nicht,
sie entblößt dich.

Wer sich löst
von äußeren Maßstäben,
löst sich auch
von den Worten der Zustimmung.
Doch in dieser Stille,
in der kein Applaus erklingt,
beginnt etwas Echtes zu atmen.

Vielleicht ist es Nähe –
nicht aus Beifall geboren,
sondern aus dem reinen Sein.

So stehen wir,
zwischen Erwartung und Anerkennung,
zwischen Innen und Außen,
zwischen Lautsein und Wahrsein.

Und dieses Dazwischen,
so zart und so wahr,
erinnert uns daran:

Klarheit ist kein Ereignis der Welt,
sie ist ein Erwachen im Innern.

Und ihr Preis
heißt manchmal Missverständnis –
doch ihr Geschenk
heißt Freiheit.

Freiheit,
du selbst zu sein.